RACE PACK

Schicksale und Triumphe einer Gemeinschaft, die die Liebe zum Radfahren zusammenbrachte
Schicksale und Triumphe einer Gemeinschaft, die die Liebe zum Radfahren zusammenbrachte

Diese Männer sind über 70 und noch immer auf ihren Rennmaschinen unterwegs. Sie fahren nicht mehr gegen die Uhr und doch gegen die Zeit. Ihre Geschichten handeln von Triumphen, der Gemeinschaft, menschlichen Katastrophen und der unbeirrten Rückkehr aufs Rad. Hier kommt das Race Pack.

Das Bistro „Am kleinen Anger“ in Güterfelde kam der Berliner Runde gerade recht. Denn dort gibt es Hausmannskost, und die Preise

sind moderat. Draußen an den Biertischen wird stets die Tafel für sie gedeckt. Unter der Junihitze verdichtet sich der Eindruck: Hier steht die Zeit.

„Vor ein paar Jahren waren sie plötzlich da“, verrät Regina, die Wirtin. „Nicht immer kommen alle, aber Bolle ist auch bei Schnee und Eis da.“ Im Winter, als viel jüngere Radsportler wieder einmal an Malle, Rolle oder Winterschlaf dachten, ließ Dieter ‚Bolle‘ Mehlitz trotzig über seine Website wissen: „Ich gebe jedem einen Kaffee aus, der mit dem Fahrrad zum ‚Anger‘ kommt.“ Notfalls kam er eben mit dem

Mountainbike. Der 77-Jährige ist die zentrale Figur dieser Ausfahrergruppe. Jeden Dienstag und Donnerstag, exakt um 10.00 Uhr,

startet man am Berliner S-Bahnhof Grunewald. Dann rauscht die mehrheitlich weißhaarige Equipe mit einem 30er Schnitt ganz unaufgeregt über den Asphalt. Bedacht werden Ansagen und Handzeichen bis zum Schlussmann durchgereicht. Man grüßt entgegenkommende Radler, lädt ein, doch mitzufahren, gestikuliert gegenüber Autofahrern: mal warnend, mal ironisch.

 

Am Etappenziel haben sie etwa die Hälfte ihrer Strecke absolviert. Vor dem Bistro brechen sie mit den Rechten von Stammgästen ein. Sofort geht es lebhaft zu, es wird laut. Darunter die Stimme von Bolle: „Schnell fahren tut keiner. Mal so richtig, ich meine wirklich richtig schnell fahren!“ Und nach einer Pause: „Ich war Sprinter.“ Darauf folgt das sopranhafte Kichern, mit dem viele seiner Sätze ausklingen.

Bei schönem Wetter kann die Runde schon mal auf 20 Fahrer anwachsen. Auch Frauen gehören dazu. Den harten Kern bilden die Alten. Während sich die einen bescheiden sich als „Quereinsteiger“ bezeichnen, zählt Bolle hier zu den „Profis“. Seine Sportkarriere begann in den 50er Jahren: „Ich war mit meinem Onkel zum Radrennen auf der Neuköllner Radrennbahn. Weil ich gerade zuvor die Steher

gesehen hatte, habe ich eine kesse Lippe riskiert und gesagt, so schnell wie die bin ich auch. Da hat mich mein Onkel 1952 zum „Erster Schritt-Rennen“ angemeldet.“ 

 

Für die 35 Kilometer im Buckower Dreieck setzte er sich auf das Fahrrad seines Vaters. Mit Schwalbenlenker, abmontierten Schutzblechen und dicken Wulstbombenreifen. „Ich hatte kein Trikot, trug kurze Cordhose und Polohemd. Ich bin nie zuvor ein Rennen gefahren und hatte keine Ahnung. Wir haben eine Drei-Minuten-Vorgabe gekriegt vor denen, die eine richtige Rennmaschine hatten. Zusammen mit einem anderen bin ich allen davongefahren. Wir hatten uns schon wie die Sieger gefühlt. Am Schluss haben uns die Fahrer mit den Schlauchreifen eingeholt und abgebürstet. Es war Herbst, es hatte geregnet, einige sind gestürzt, und ich beinahe drüber. Aber ich bin 15. geworden, und im zweiten Lauf 7.“ Anschließend kamen die Vereine auf ihn zu. Doch Namen wie RV „Panne“ oder „Defekt“ gefielen dem ambitionierten Jungsportler nicht gerade. „Die Sieger des Erster-Schritt-Rennens kamen vom ‚Pfeil Charlottenburg’, dem heutigen RC Charlottenburg. Also bin ich dort eingetreten.“ Anders als heute mussten die 14-Jährigen gegen die 18-Jährigen antreten. „Für mich war das motivierend. Jedenfalls war ich gut genug, dass ich mithalten konnte.“ Zwar gab es weder

spezielle Trainingsprogramme noch Ernährungspläne. Aber schon damals traf sich Bolle dienstags und donnerstags zum Training mit einem Kumpel. Das musste ausreichen.

» Viele von denen, die damals eingeschmissen haben, leben heute nicht mehr «
» Viele von denen, die damals eingeschmissen haben, leben heute nicht mehr «

Internationale Sportveranstaltungen wie die Tour de France kannte er nur aus der Zeitung. Er wusste auch, wer gerade das Regenbogentrikot hatte und Weltmeister war. Aber der eigene Gesichtskreis blieb immer lokal. Im Berliner „Radsport“ veröffentlichten die Vereine ihre Rennen. Und Bolle war stolz, wenn er las: „Der talentierte Dieter Mehlitz ist Achter geworden.“ Jeden Sonntag fanden Radrennen in West-Berlin statt: auf der Bellermann und der Afrikanischen Straße im Wedding, am Unionsplatz in Moabit. Und natürlich das Rollbergrennen.

 

„In Neukölln waren die Preise nicht gerade lukrativ. Damals

sind die Vereine hausieren gegangen, an der Strecke in den

Läden. In der Karl Marx Straße haben sie im Bekleidungshaus

Knaack geschnorrt. Und der hat seine Ladenhüter rausgegeben. Für den zweiten Platz ein Oberhemd, Größe 46. Und das als Jugendfahrer!“

 

Indessen zogen die honorigen Vereinsvorsitzenden die Kneipe vor. Ab und zu lugten sie hinaus, um rasch eine Anfeuerung

anzubringen. Dann waren sie wieder verschwunden. „Die waren an die 60 und sind in den Dreißigerjahren Rennen gefahren. Ich bin heute zwar älter, aber damals kamen sie mir sehr alt vor.“ Obgleich Bolle hier Respektsperson ist und dank seiner Vereinsarbeit auch berlinweit bekannt, hielt seine Karriere nur wenige Jahre: „1955 war ich deutscher  Jugendmannschaftsmeister im Vierer- Mannschaftsfahren. Ich war 99 Mal unter den ersten 10 und habe 25 Radrennen gewonnen. Aber ich musste sehr früh heiraten und meine Familie ernähren, so hatte ich keine Zeit mehr zum Trainieren.“

Die Zeitungsfahrer empfand er als die größten Konkurrenten. „Die Berliner Zeitungsfahrer waren gegenüber uns immer im Vorteil. Sie hatten einen Stapel Zeitungen hinten auf dem Gepäckträger und haben die an den Kiosken abgeschmissen. Das ging schon morgens um vier Uhr los. Früher gab es mehrere Ausgaben täglich. Und wenn du dann noch eine Familie hattest, konntest du dem Druck nicht standhalten.“ Aber die waren in der Konkurrenz und haben alles dafür getan. Wenn es sein musste, so Bolle, auch mit einer Pille.

„Viele von denen, die damals eingeschmissen haben, leben heute nicht mehr. Zum Beispiel Achim Holz, mit dem ich trainiert habe, der als Profi Steherrennen gefahren ist. Der hat reichlich eingeschmissen. Er war schwer nierenkrank und musste schon vor zwanzig Jahren zur Dialyse. Dann ist er auf die schiefe Bahn gekommen und hat sich sein Leben so richtig versaut: Zigarettenlaster geklaut. Später ist er elendig verreckt.“

Plötzlich holt Bolle selbst eine Pille hervor: „Ich nehme jetzt eine Wassertablette, das ist kein Doping.“ Sprach´s, schluckte die Tablette und spülte sie mit einem Glas Wasser hinunter.

Mit den Lifestyle-Alten, die dir in jugendlichen Klamotten auf Rollerblades entgegenbrettern, hat Bolles heutige Mannschaft wenig am Hut. Besser trifft es die neu variierte britische Formel: „Keep calm and ride your bike.“ Ihre wöchentliche Routine lebt von einer sportlichen Nüchternheit, die sich auf Wesentliches konzentriert, dem Vereinssport entspringt und nicht immer gut auf die Eventkultur heutiger Jedermannrennen zu sprechen ist.

 

Biografisch bildet die Gruppe so etwas wie die letzte Enklave

West-Berlins. Beruflich könnten sie ohnehin einen kleinen Staat aufmachen: Ehemalige Techniker, Kaufleute, Verkäufer, Richter und Polizeibeamte sind darunter. Gerhard Mailahn, 77, war Chemiker. Er trägt zwei Spitznamen. Der eine niedlich, der andere Furcht einflößend: „Duracell-Hase“ und „Zerstörer“. Duracell-Hase, weil er vom ersten bis zum letzten Tritt, bergauf, bergab den gleichen runden Rhythmus hält. Nur will der in letzter Zeit nicht mehr so ganz gelingen: „1987 hat mich ein VW-Bus gerammt, ich bin mit einem Oberschenkelhalsbruch für ein Dreivierteljahr ins Krankenhaus gekommen. Beim letzten Mal zog eine Dame beim Baumblütenfest in Werder panisch die Vorderbremse, stürzte in mein Rad und ich mit ihr. Dabei habe ich mir das Schlüsselbein gebrochen. Aber ich schätze noch drei, vier Mal mitfahren, dann bin ich wieder vorne.“

 

Der Name „Zerstörer“ geht auf alte Zeiten zurück. „Ich war bei Schering. Dort hatte mich jemand auf Radsport angesprochen. Zwei Jahre habe ich gebraucht, um mithalten zu können. Die Charlottenburger sind alle Rennfahrer gewesen und haben nur auf Zerstören gearbeitet. Als wir den „Willi“, also den Grunewaldturm, hochgefahren sind, sagte Bolle zu mir: „Pass mal auf, du fährst solange Hinterrad, bis ich zu dir sage, jetzt kannst du. Zwei Monate später konnte ich also. Und ich habe mir jeden Einzelnen vorgenommen. Deshalb hat man mich selbst dann „Zerstörer“ genannt. Aber so wurde ich ein guter Fahrer. Das hat mir Spaß gemacht. Wenn ich die Hörner angespitzt habe, wussten alle Bescheid: Jetzt geht es los!“

» Die anderen sind eine andere Klasse. Aber für mich ist der Radsport ein wunderbarer Ausgleich «
» Die anderen sind eine andere Klasse. Aber für mich ist der Radsport ein wunderbarer Ausgleich «

Gerhard gehört zum harten Kern der vereinsübergreifenden Truppe und erinnert sich an den Beginn. „Eigentlich fingen die Berliner Bären damit an, dann haben wir vom RC Charlottenburg

gesagt, warum sollen wir da nicht mitfahren? Dienstags und donnerstags, das hat sich vor Jahren so eingebürgert, und ohne dem geht heute nichts mehr. Wir sind nun einmal alte Haudegen, und wir können nichts anderes mehr, außer Radfahren.“

 

Der „Zerstörer“ besitzt auch eine soziale Ader, die den Teamgeist der ganzen Truppe widerspiegelt. Kommen neue Leute hinzu, werden sie kollegial aufgenommen: „Der Achim konnte nicht mal Reifen wechseln. Den habe ich unter meine Fittiche genommen. Wenn er einmal nicht mehr so konnte, dann hat er hinten bei mir drangehangen.“ Achim Kunze, 70, Verwaltungsrichter a. D., Quereinsteiger und seit fünf Jahren dabei, räumt unverblümt ein: „Ich gehöre zu denen, die im Windschatten hinterherfahren. Ich bin also eine Lusche, wie man unter uns sagt. Die anderen sind eine andere Klasse. Aber für mich ist der Radsport ein wunderbarer Ausgleich. Gut zweihundert Kilometer fahre ich jetzt schon in der Woche.“ Achim glaubt, dass sich der soziale Status beim gemeinsamen Radfahren nivelliert. Abgesehen von den Frotzeleien, die er zu ertragen habe, weil er einmal Richter war. „Letztens als ich zurückfiel, hat mich jemand wieder herangeholt. Dann ist er nach vorne und verkündete: Das Gericht ist wieder da.“ Tatsächlich kommt es vor, dass er laut den Einzug der Fahrerlaubnis fordert, wenn Bolle sich auf der Strecke nicht mehr für die rote Ampel interessiert. Ein bisschen hält er auch die Rolle des Philosophen inne, der verkündet: „Das Leben ist ein stetiger Beginn. Ich bin ständiger Anfänger. Bolle war mit 18 Jahren Deutscher Meister. Und heute ist er gefahren, als wäre er 16 und müsste dafür trainieren. Danach kam ich nicht mehr ran. Das macht er mit Absicht.“ Damit wendet er sich direkt an Bolle:

„Um es gehoben zu sagen: Altruismus ist nicht deine Stärke. Aber als Philosoph muss man darüber stehen.“

 

Zu den ehemaligen Rennfahrern zählt Horst Laukait, 75, der im Verein Iduna Schöneberg begann und heute deren Vorsitzender ist. Nach seinem schweren Unfall kehrte er einem Wunder gleich zur Gruppe zurück. Als er 2002 auf einer Ausfahrt von Berlin nach Garmisch-Partenkirchen unterwegs war, kam ihm auf der Landstraße ein Pkw entgegen, der einen anderen überholen wollte. Was er weiter vom damaligen Unfall erzählt, kennt er nur aus den Geschichten anderer. Bei dem Manöver, nicht die Leitplanke zu treffen, geriet

der Pkw ins Schleudern. Ein Mitfahrer schlug auf der Seite des Wagens auf, Laukait erst in den vorderen Radkasten. Dann wurde er über die Motorhaube weggeschleudert. Als die Mitfahrer Laukait erreichten, soll er ihnen gesagt haben: „Ist ja nicht so schlimm, gib´ mir mal das Rad her, weiter geht´s.“ Doch das Fahrrad hatte einen Totalschaden, er selbst war so schwer verletzt, dass er mit dem Hubschrauber ins Universitätsklinikum Regensburg geflogen wurde. Neben anderen schweren Verletzungen waren auch seine

Beine betroffen. Noch am selben Tag wurde operiert, zahlreiche Nachoperationen folgten. Nach sechs Wochen wurde er ins Berliner Sankt Gertrauden Krankenhaus verlegt. Was sich die Radsportkollegen nach ihren Besuchen im Flur des Krankenhauses so zuraunten, verrieten sie ihm erst später: „Mit den Beinen fährt der nie wieder Rad.“

Jahrelang hatte er Radsport im Schöneberger Verein Iduna

betrieben, und so dachte er sich: „Das kann es ja wohl nicht

gewesen sein.“ Wieder Radfahren war sein Ziel. Einfach zu

erreichen war es nicht: „Man setzt sich etwas in den Kopf und sagt, das will ich jetzt machen. Aber man braucht auch die Bestätigung, wenn die Zweifel kommen.“ In dieser Zeit war der Zuspruch von Familie und Sportkollegen wichtig.

 

„Beschönigen, Besänftigen und Kleinreden“, benennt er das

Prinzip. „Irgendwann im nächsten Jahr haben mich Vereinskollegen zum ersten Mal wieder auf ein Damenrad gesetzt. Solange ich nur geradeaus fuhr, ging es. Schlimm waren das Anfahren und das Halten. Trotzdem fühlte es sich an wie neu geboren. Besonders dort in der Szene wieder aufzutauchen,

wo sich mein Unfall herumgesprochen hatte.“

Heute fährt er bei fast jedem Wetter: „Jemand hat mir mal einen Hometrainer ins Wohnzimmer gestellt. Aber der steht jetzt im Keller. Schließlich musste ich ein Jahr warten, bis ich das wieder machen konnte: Frei an der frischen Luft, auf der Chaussee. Das sind doch erhebende Momente.“ Angst wieder Rad zu fahren, hatte er dagegen nie. „In brenzligen Situationen kann ich ja nicht einmal sagen, das könnte wieder so wie damals werden, weil es kein Damals für mich gibt. Ich habe einfach keine Erinnerung. Nicht einmal geträumt habe ich vom alten Unfall.“ Alter Unfall bedeutet, dass es noch mehrere gab. „Alle Jahre lang passiert etwas. Etwa wenn man bei Bremsmanövern in der Gruppe stürzt.

Wir lachen drüber, unter Sportskameraden.“ Hartmut Schulz, 73, hatte bis zu seinem Herzinfarkt verschiedene Sportarten betrieben. Danach folgten zehn Jahre Tanzsport. „Als meine Tanzpartnerin mit mir aufgehört hat, habe ich mir gesagt, ich muss mir irgendeine andere Sportart suchen, wo ich noch richtig was machen kann. Vor sechs Jahren bin ich zum Radsportverein Iduna Schöneberg

gekommen. Seitdem fahre ich in der Gruppe mit.“ Der Einstieg war nicht leicht für ihn. „Im Laufe der Jahre lässt die Muskulatur nach. Und die fahren ja doch ein anderes Tempo. Da muss man sich erst einmal wieder herankämpfen.“ Meistens geht es lustig zu. Es wird immer gequatscht, ein Kalauer gerissen, sagt Hartmut.

„Es ist naheliegend, dass man in unserem Alter nicht mehr auf zehn Jahre vorausplant“
„Es ist naheliegend, dass man in unserem Alter nicht mehr auf zehn Jahre vorausplant“

Doch ihre gemeinsame Fahrt zur hundertjährigen Tour de France wurde von einer Katastrophe überschattet. Es geht um einen ehemaligen Feuerwehrmann, ausgerechnet einen jüngeren. „Dass er vor zwei Jahren eine Erkältung verschleppt und sich davon nicht mehr so richtig erholte, ist natürlich nur meine Vermutung. In der letzten Zeit hatte er immer ein bisschen geschwächelt. Er hat sich hohe Ziele gesetzt, immer nebenher trainiert und es übertrieben.“ Er wollte unbedingt mit nach Paris fahren.

 

„Noch am Samstag bin ich mit ihm gefahren. Am Montag hat mich Bolle angerufen und gesagt, dass Uli verstorben ist. Ich dachte er macht einen Witz, aber dann habe ich an der Stimme gehört, das war kein Witz.“ Die meisten aus der Gruppe kamen zur Beerdigung. Einen Monat später  veranstalteten sie eine Gedenkfahrt nach Güterfelder. Bolle und jemand von der Feuerwehr hielten eine Rede. Über die 1000 Kilometer auf der Fahrt nach Paris haben sie oft an ihn gedacht. Und ihre Reisen müssen weitergehen. „Anfang Juli von Budapest nach Berlin. Das sind unsere nächsten Ziele. Was nächstes Jahr ist? Keine Ahnung. Es ist naheliegend, dass man in unserem Alter nicht mehr auf zehn Jahre vorausplant.“ Die Haudegen von Bolles Race Pack fahren nicht gegen die Wettkampfuhr und doch gegen die Zeit. Wie unvorhersehbar die Wechselfälle des Schicksals dabei sein können, zeigt die letzte Geschichte, die Bolle erzählt. Eines Tages eröffnete ihm sein Arzt, dass er tot vom Rad fallen könne, wenn man nicht bald operiere. Drei Bypässe und ein Radfahrverbot folgten. Dem Verbot widersetzte er sich nach und nach erfolgreich. Aber die Geschichte war da noch nicht zu Ende. Jahre später erkundigte sich der Arzt seinerseits bei Bolle, wie man nach einer Herzoperation am besten mit dem Radsport anfangen könne. Er hatte gerade einen Bypass bekommen.


Text: Wolfgang Scherreiks  | Bilder: Mathias Kutt