Als junger Mann lebte er seine Kreativität aus mit antiken Pistolen und Schwertern, Silberschmuck und Skulpturen, Oldtimern und Häusern, vor allem aber mit Mode.
Helio Ascari baute ein Design-Fahrrad für eine Modefirma, zog von Rio de Janeiro nach Sao Paolo, Mailand, München und Amsterdam,
absolvierte in Oregon eine Lehre als Rahmenbauer, ließ sich einen Hipster-Bart wachsen und baut heute in New York Custom-Bikes. Mit selbstgeschweißten Rahmen, Gabeln, Vorbauten.
Und seinem Partner, dem Rahmenbauer Gary Mathis. Sie veredeln die Räder mit Kupferschmuck, sägen, feilen und schleifen Rahmenschalthebel aus Holz und setzen Rubine ins Emblem. So ist das Modell King in diesem Artikel ein wenig wie guter Wein: Wenn es nur lange genug herumsteht, wird es
wertvoll. Zu abgefahren, um es zu fahren. Umso besser lässt es sich anschauen. Oder hinstellen. Ins Wohnzimmer etwa. Ferraris kommen dafür ja nicht mehr infrage. Klimawandel und so. Ein Ascari-Fahrrad schon.
Da taugen sogar Luftpumpe, Ventilkappen und Seitenständer zum Angeben: alles handgemacht. Zugekaufte Teile sind meist entweder exklusiv (italienische Holzfelgen) oder getunet (handverzwirbelte Federn am Brooks) und nur in Ausnahmefällen Serienware (Schwalbe-Reifen von der Stange).
Markantestes Extra aber sind die Lederwickel am Sitzrohr und an der Gabel. Diese Technik hatte er sich von seinem Vater abgeschaut, der hat Korbgriffe so dekoriert. Ascari lederumwickelt nicht nur Sitzrohre, sondern auch die Bügel von Sonnenbrillen und sogar Sicherheitsnadeln.
Das alles unter dem Motto „Nach hinten schauen, um vorwärts zu kommen.“ Das meint Ascari vielleicht nicht nur im ästhetischen Sinne, sondern auch technisch – Rahmen und Gabel sind aus Chrom-Molybdän-Stahl, dem besten Material der frühen 90er Jahre. „Chromoly“, wie Liebhaber sagen, wiegt relativ wenig und rostet nicht so schnell wie billiger Stahl.
Konifizierte Rohre, also mit verstärkten Enden und schlanker Mitte, sind nur wenige hundert Gramm schwerer als die leichtesten Aluminiumrohre, und Stahlrahmen dämpfen äußerst komfortabel im Gegensatz zu den Steifigkeit/Gewichts-Testsiegern der Nuller-Jahre aus Aluminium. Je nach Einsatzgebiet kann Stahl also das bessere Rad sein. Ob ein Ascari also rückwärtsgewandte oder moderne Technologie bietet, ist eine philosophische Frage. Aber allzu moderne Technik unterstellen wir Herrn Ascari lieber nicht.
Text: Tillman Lambert | Fotos: Ascari