FAHRRADKULTUREN

Ein symbolisch-emotionales Momentum zwischen Mensch und Rad, so beschreibt Monika Belting Ihr Buch. In Doppel-Porträts werden fahrradbegeisterte Individualisten, Enthusiasten und Freigeister mit Ihren geliebten Drahteseln – die schon mal zum "Bratesel" werden – aus der Fahrradstadt Münster vorgestellt.

Fahrradkulturen  ©Monika Belting
Fahrradkulturen ©Monika Belting

Die Leeze, wie in Münster das Fahrrad auch genannt wird, spielt in der Universitätsstadt eine Hauptrolle. Es ist das meistgenutzte Verkehrsmittel. Selbst Kommissar Thiel vom bekannten Münsteraner Tatort-Duo schwingt sich bei seinen Ermittlungen bevorzugt aufs Bike. Das Radwegenetz ist ausgezeichnet ausgebaut, auf der Promenade, die ringförmig um die gesamte Altstadt führt, haben Radlerinnen und Radler freie Fahrt. Nicht nur die Infrastruktur wird für eine Fahrradstadt passend gestaltet, auch zahlreiche Stellplätze, sogar Fahrradparkhäuser und Angebote rund ums Rad machen den Leuten Lust aufs Pedalieren. Schon öfter wurde Münster zur fahrradfreundlichsten Stadt in Deutschland gekürt. 

Dieses Lebensgefühl Stadtradeln, diese tiefe Verbundenheit zum Fahrrad wird in beeindruckenden Fotos und Geschichten über Menschen und ihre Oldtimer, Vintage-Klassiker, Rennräder oder Cityflitzer von Monika Belting ausdrucksstark in Szene gesetzt. 


»Es gibt eine lange Rennrad Offroad Tradition
in Schottland und England. 
Die Räder, die Klamotten und die Landschaften versprühen einen Charme von Abenteuerlust.
 Die fahren mit ihren Rädern überallhin und das hab’ ich auch vor …«

Martin ist selbstständiger Friseurmeister. In seinem individuellen, exklusiv gestalteten Salon "Kaiserschnitt" vertritt er das gute alte Handwerk mit Leib und Seele. Sein Fahrrad, der englische Rennradklassiker Jack Taylor 1987 UK dient im "Kaiserschnitt" als Raumteiler, Wegführer und Abstandshalter. Man munkelt, die Farbe des Rahmens stammt noch original aus dem Jahre 1923/Australien. 

Geschont wird das gute Stück nicht. Und peu à peu wird es um schöne Dinge ergänzt. Wie etwa die Satteltaschen von Carradice und die Ledersättel von Cardiff oder Brooks. Alles alte Englische Traditionsmarken. In den kleinen Werkstätten sind die Briten nicht nur auf Ersatzteile, Aufkleber, Label spezialisiert, sie übernehmen auch die komplette Restauration inklusive der originalgetreuen Lackierung. 


Hier bestellt Martin vieles und arbeitet alles selber auf. Ein Faible, das ihn nach Feierabend völlig entspannt. Martin inspiriert vor allem der Vintage Outdoor Style. Inspiration bedeutet für ihn aber auch Kunst –  Gestaltung – Ausstellung. So gab es im Salon die Ausstellungseröffnung „Memory oder die Pixel der Erinnerung“ von Stephan US mit anschließender Performance. Der Tausendsassa bietet auch Klassiker-Ausfahrten Münster an, zu denen alle eingeladen sind, die Spaß an alten Rädern haben und sie auch chauffieren möchten, natürlich nur bei Kaiserwetter. Martin bereitet die Strecke vor und fährt sie mit dem Jack Taylor Rad ab. Als Hobbymusiker musiziert er zusammen mit seinen Freunden an Münsters Promenade. Alles, was dazu gebraucht wird, wird mit den Fahrrädern transportiert. Mit den Musikinstrumenten wiederum eine kunstvolle und ziemlich sportliche Aktion.



Für Marika steht das Fahrrad als Transportmittel an erster Stelle, weit vor dem Auto – wie für viele Münsteraner. Selbst die Geschäftsleute, Oberbürgermeister Markus Lewe und andere fahren per Leeze mit ihrem feinen Zwirn täglich zur Arbeit. Das ist urbanes Wohnen, verbunden mit einem guten Lebensgefühl. Mit dem Fahrrad wird alles leicht, es öffnet den Geist und das Gefühl für die schönen Dinge.

 

Immer wieder gibt es etwas Neues zu entdecken, zufällige Begegnungen, Lachen, man ist stets nah am Puls des Lebens. Radfahren in Münster kann süchtig machen.

Ihr erstes heißersehntes Fahrrad erhält Marika 1947, kurz nach Kriegsende, der innere Kern Münsters lag in Schutt und Asche. Das gebrauchte Fahrrad mit einer schmalen Hartgummibereifung fuhr mehr auf den Stahlfelgen als auf dem Gummi. 

Heute hat Marika, mit dem neuen Quitmann-Modell ihre große Liebe, und zwar auf den ersten Blick, gefunden. Leicht, grazil, elegant, reduziert, ohne Gepäckträger, schwarz, mit braunem Leder. Es stand im Schaufenster, wie für Sie gemacht. "Nun genieße ich auf meinen Landpartien ein herrliches Fahrgefühl. Viele Leute sprechen mich immer wieder an, denn grazil und reduziert fällt auf.“


Mit Leon fing alles an – gemeint ist das Projekt Fahrrad-Kulturen. Monika Belting lernte ihn auf dem Parcours der Münster School of Design kennen. Der Parcours dient seit Jahren als Plattform für Austausch, für Inspiration und für die geteilte Liebe zum Design. Unter den vielfältigen Abschlussarbeiten der Absolventen der Münster School of Design stellte er den Bratesel – Thema seiner Bachelorarbeit – vor. Und begeisterte nicht nur die Autorin. 

In Münster mit rund 60.000 Studenten wird nicht nur viel gelernt, es wird auch viel gefeiert und gegrillt. Vor allem rund um den Aasee trifft man sich und das Problem Einmal-Grill war Leon ein gewaltiger Dorn im Auge. So machte sich der Designer und Freelancer an die Arbeit und heute verbindet sich Grillvergnügen nicht nur mit dem Drahtesel, der den Transport von Gästen, Getränken und Nahrhaftem übernimmt, sondern auch mit dem Bratesel, der für die nötige Glut und Hitze sorgt. 

Denn der Bratesel ist ein leichter, transportabler Grill und zugleich ein All-In-One Allrounder, der auf jeden handelsüblichen Gepäckträger passt. Aufgebaut bietet er eine Grillfläche, die schon mal saftige Steaks und andere Schmankerl für eine sechsköpfige Feierrunde liefert. Nachhaltiges, umweltfreundliches Grillen sowie eine faire und nachhaltige Bratesel-Produktion in Münster werden bei Leon großgeschrieben. Genauso groß wie Fahrradfahren und Feiern mit Freunden.


 

»So viel Spaß hatte ich lange nicht mehr beim Biken, ich fühle mich in meine Kindheit zurückversetzt. 
Das Fahrgefühl ist mit nichts vergleichbar, 
es fasziniert einfach. 
Und es sieht, verdammt cool aus.«

Seit Jahrzehnten ist Rudi mit Leib und Seele Motorbiker und jetzt seit mehreren Jahren Fatbiker. Mit seinem Bulls Monster Fatbike

E-MTB 2014 USA lebt der Gitarrenhändler, Gastronom und Musikfan auf großem Fuße. 


Die Reifen sind eine wahre Wucht und sie rollen durch jedes Terrain. "Wenn meine Muskeln ihr Training hinter sich haben, geht es aufs Motorrad. Mit diesem Glücksgefühl kann der Arbeitstag beginnen.“ 

So sieht ein toller Start in den Tag und ins Berufsleben aus, das im selbst aufgebauten Münsteraner Kultladen "Rare Guitar" von Leidenschaft geprägt ist. Rudis seltene Gitarren, seine Kneipe und seine Konzert-Location sind legendär und einzigartig. 

Seit Jahrzehnten ist Rudi mit Leib und Seele Motorbiker und jetzt seit mehreren Jahren Fatbiker.  ©Monika Belting

 

 

 

 

 

 

"Rare Guitar" ist ein Ort, in dem Musik gelebt wird und „fünf Generationen zusammenkommen“. Ich habe ein gewisses Stammpublikum bei Konzerten und auch eine gewisse Stammkundschaft im Handel und in der Gastronomie“, sagt der stolze Inhaber.

 

Am Alten Güterbahnhof hat Rudi den passenden Standort und damit seinen Lieblingsort gefunden. Neben fast 80 Proberäumen gibt es eine Werkstatt, in der sowohl Instrumente als auch Verstärker und Effekte optimiert, umgebaut, repariert und restauriert werden. Rare Guitar arbeitet stets mit der lokalen Musikerszene zusammen. 

 

Text: Monika Belting